start

Zugang zu einer Tierversuchsstudie
(Der Fall Monsanto)

Verwaltungsgericht Köln 13 K 4947/05,
Urteil vom 7. Dezember 2006

Tatbestand

Der Mutterkonzern der Klägerin entwickelte in den Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen; seiner Geschäftstätigkeit durch Genveränderungen den gegen den Maiswurzelbohrer resistenten Mais MON 863, den die Klägerin zu Futterzwecken und zum menschlichen Verzehr nach Europa einführt. Im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der hierzu erforderlichen Einfuhrerlaubnis durch die Europäische Kommission wurde dem seinerzeit zuständigen Robert-Koch-Institut der Beklagten nach Nachfragen anderer Mitgliedstaaten im Oktober 2003 von der Klägerin im Rahmen des Notifizierungsverfahrens C/DE/02/9 die sog. Rattenfütterungsstudie MSL - 18175 übermittelt, die ohne nähere Begründung als „Confidential Business Information" gekennzeichnet war.

Nachdem in Europa, insbesondere in den französischen Medien, diskutiert wurde, dass der Versuch bei den mit dem genveränderten Mais gefütterten Ratten zu Auffälligkeiten im Blutbild und organischen Veränderungen geführt habe, beantragte der Beigeladene im Mai 2004 beim Robert-Koch-Institut im Hinblick auf die durchgeführten Tierversuche unter Hinweis auf das Umweltinformationsgesetz Einsicht in die Antragsunterlagen zu MON 863. Die vom Robert-Koch-Institut an diesem Verwaltungsverfahren beteiligte Klägerin sprach sich gegen eine Veröffentlichung der Tierversuchsstudie aus, weil die Studie als Betriebs - und Geschäftsgeheimnis vertraulich zu behandeln, als solche gekennzeichnet und nur unter dieser Voraussetzung überhaupt übergeben worden sei. Eine Veröffentlichung würde ihre Geschäftsinteressen, insbesondere gegenüber Wettbewerbern auf demselben Gebiet, berühren. Sie sei zwar Inhaberin eines Patents für das genveränderte Konstrukt MON 863; der patentrechtliche Schutz sei jedoch inhaltlich und geografisch lückenhaft und könne zudem von Dritten angefochten werden. Eine ausreichende Information der Öffentlichkeit sei zudem durch die von der Klägerin vorgelegte zusammenfassende „Supplemental Analysis of Selected Findings on the Rat 90-Day Feeding Studywith MON 863 Maize Report MSL-18175" gewährleistet.

Nachdem der Beigeladene auf entsprechende Nachfrage des nunmehr zuständigen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit der Beklagten mitgeteilt hatte, dass der Antrag auf Akteneinsicht in die Antragsunterlagen zu MON 863 trotz Übersendung der Zusammenfassung aufrecht erhalten bleibe, stellte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mit Bescheid vom 19. März 2005 fest, dass die von der Klägerin „im Rahmen des Verfahrens 6788-01-9 als Antragsunterlage eingereichte Studie MSL-18175 ... gemäß § 17 a Abs. 1 Satz 3 GenTG nicht als vertraulich zu behandeln" ist.

Am 15. April 2005 legte die Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid ein, woraufhin die Beklagte auf einen bereits zuvor gestellten Antrag des Beigeladenen unter dem 21. April 2005 die sofortige Vollziehung des Bescheides anordnete.

Einen Antrag der Klägerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs lehnte das erkennende Gericht mit Beschluss vom 9. Juni 2005 - 13 L 771/05 - ab; die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 20. Juni 2005 - 8 B 940/05 - zurück.

Nach dem Abschluss der gerichtlichen Eilverfahren übersandte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit dem Beigeladenen eine Kopie der Rattenfütterungsstudie, die diese zwischenzeitlich auf ihrer homepage im Internet veröffentlicht hat.

Am 18. August 2005 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides der Beklagten vom 19. März 2005 begehrt. Zur Begründung macht sie im wesentlichen geltend, dass sie die begehrte Feststellung trotz der Übersendung der Studie an den Beigeladenen und infolgedessen eingetretener Erledigung unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr verlangen könne, weil sie Genehmigungsverfahren für weitere genveränderte Organismen betreibe, darunter allein neun für Maisprodukte, in denen jeweils Tierfütterungsstudien vorzulegen seien. Es müsse realistisch damit gerechnet werden, dass wiederum Einsicht in diese Unterlagen verlangt und die Beklagte diesem Begehren wieder ohne Rücksicht auf ihr Betriebs - und Geschäftsgeheimnis entsprechen werde.

Die Klage sei auch begründet, weil die Tierfütterungsstudie als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis einzustufen sei, deshalb nicht ohne ihre Zustimmung bekanntgegeben werden dürfe und der Informationsanspruch des Beigeladenen daher zurücktreten müsse. Das Gentechnikgesetz sei insoweit gegenüber dem Umweltinformationsgesetz das speziellere Gesetz. Durch die dennoch erfolgte Herausgabe der Studie sei sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 und 14 GG verletzt, weil die Preisgabe ihres Betriebs - und Geschäftsgeheimnisses unverhältnismäßig sei. Dem Informationsinteresse des Beigeladenen und der Öffentlichkeit sei durch die Veröffentlichung der zusammenfassenden „Supplemental Analysis" hinreichend Rechnung getragen worden. Der von ihr befürchtete Schaden bestehe darin, dass die Tierfütterungsstudie in Genehmigungsverfahren in Drittländern, in denen ein ausreichender Patentschutz für MON 863 nicht gegeben sei - wie etwa in Taiwan, China und den Philippinen -, von den dortigen Behörden verlangt und von Mitbewerbern vorgelegt werde, um die erheblichen finanziellen Aufwendungen und den Zeitaufwand für die Durchführung der Tierfütterungsstudie zu sparen. Zudem bestehe auch in anderen klassischen Maisanbauländern - wie etwa Slowenien, Serbien und Kroatien - kein Patentschutz für MON 863. Schließlich könne die Studie nicht nur in Verfahren auf Zulassung von MON 863 selbst, sondern auch in anderen Zulassungsverfahren, etwa für entsprechende Kombinationsprodukte, genutzt werden.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 19. März 2005 rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte bentragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält die Herausgabe der Rattenfütterungsstudie an den Beigeladenen für rechtmäßig und für europarechtlich geboten. Die Klägerin habe den von ihr behaupteten Schaden durch die Herausgabe nicht konkret belegt. Die Studie sei nur für die Zulassung des Konstrukts MON 863 angefertigt worden und daher nicht ohne weiteres für andere genveränderte Produkte einsetzbar. Soweit die Klägerin sich auf die Gefahr eines Missbrauchs ihrer Tierfütterungsstudie in Zulassungsverfahren in anderen Ländern wegen des lückenhaften Patentrechtsschutzes berufe, sei darauf hinzuweisen, dass solche Gefahren nicht sehr realistisch seien. So seien etwa in Genehmigungsverfahren in Slowenien Tierfütterungsstudien nicht vorzulegen. Im übrigen sei die Tatsache, dass die Einfuhr von MON 863 nach Europa von der Europäischen Kommission zugelassen worden sei, für die von der Klägerin benannten Länder weitaus bedeutsamer als Details der Rattenfütterungsstudie.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seiner Auffassung, dass es sich bei der Rattenfütterungsstudie nicht um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis handele, verweist er im wesentlichen auf die Begründung des Beschlusses des OVG NRW im Eilverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die von den Beteiligten im Eil- und im Hauptsacheverfahren gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Streitakten dieses und des Eilverfahrens 13 L 771/05 sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die von der Klägerin erhobene Klage ist - sei es als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), sei es als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - zulässig. Das für eine solche Klage erforderliche besondere Feststellungsinteresse ist unter dem anerkannten Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr hinreichend konkret gegeben, da die Klägerin als auf dem Gebiet der Gentechnik tätiges Unternehmen damit rechnen muss, dass von ihr in anderen gentechnischen Zusammenhängen für die Zulassung anderer genveränderter Konstrukte durchgeführte Tierfütterungsstudien nicht als Betriebs - und Geschäftsgeheimnis respektiert und Dritten preisgegeben werden.

Dieser Feststellung steht auch nicht entgegen, dass die hier maßgebliche Vorschrift des § 17 a Abs. 2 Nr. 6 des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG) in der hier anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993 (BGBI. l S. 2066), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (2. GenTG-ÄndG) vom 16. August 2002 (BGBI. l S. 3220) während des laufenden Klageverfahrens durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (3. GenTÄndG) vom 17. März 2006 (BGBI. l S. 534) mit Wirkung vom 23. März 2006 dahingehend geändert worden ist, dass vom Schutz des Betriebsgeheimnisses statt (bisher) der „Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen, insbesondere schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt" (nunmehr) ausgenommen ist die „Risikobewertung" und sich das geltend gemachte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung mithin auf auslaufendes Recht bezieht. Denn die Entscheidung der Frage, ob die Klägerin sich für die angestrebte Geheimhaltung einer Tierfütterungsstudie mit Erfolg auf den Schutz ihres Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses berufen kann, ist zukünftig zwar nach einer geänderten Rechtslage zu beurteilen; die geänderte Fassung unterscheidet sich von der außer Kraft getretenen Gesetzesfassung aber nicht so grundlegend, dass die Klägerin mit einer Entscheidung nach altem Recht in Zukunft unter Geltung des neuen Rechts nichts mehr wird anfangen können. Vielmehr betrifft die aufgezeigte Änderung vor allem den Wortlaut von § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG, während die Unterschiede inhaltlich nicht so gravierend sind. Bei oberflächlicher Betrachtungsweise lässt sich die „Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen, insbesondere schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt" als - gegebenenfalls nur - Teil der nach neuem Recht vom Geheimnisschutz ausgenommenen „Risikobewertung" auffassen. Es kommt hinzu, dass auch das 3. GenTÄndG der Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABI. EG Nr. L 106 S. 1) diente und diese Richtlinie, nach deren Art. 25 Abs. 4 u.a. „die Umweltverträglichkeitsprüfung" nicht vertraulich behandelt werden kann, bei der Auslegung des auslaufenden Rechts zu berücksichtigen war. Tatsächlich hat das OVG NRW auch in seinem im zugehörigen Eilverfahren ergangenen Beschluss auf diese europäische Richtlinie und schon auf die seinerzeit noch im Gesetzgebungsverfahren befindliche Novelle zum GenTG, die in dem hier maßgeblichen Punkt des § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG nunmehr Gesetz geworden ist, abgestellt,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Juni 2005 - 8 B 940/05 – S.7f.

und das seinerzeit noch geltende, heute außer Kraft getretene Recht unter Berücksichtigung dieser Umstände ausgelegt. Wollte man der Klägerin daher im Hinblick auf die eingetretene Gesetzesänderung ein berechtigtes Feststellungsinteresse absprechen, würde man sie zu Unrecht um die Früchte des bisherigen Prozesses bringen.

Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass ein Widerspruchsbescheid bislang nicht ergangen ist. Denn die Klägerin hat am 15. April 2005 fristgerecht Widerspruch eingelegt und damit den Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 19. März 2005 verhindert, so dass die Klage gem. § 75 VwGO als sog. Untätigkeitsklage auch dann zulässig wäre, wenn man ein Vorverfahren auch im Falle der Erledigung vor Klageerhebung für notwendig halten wollte,

vgl. dazu Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., 2005, § 113Rdnr. 126.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 19. März 2005, mit dem dieses Amt festgestellt hat, dass die von der Klägerin als Antragsunterlage eingereichte Studie MSL 18175 nicht als vertraulich zu behandeln ist, war rechtmäßig und verletzte die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Diese Unterrichtung über die getroffene Entscheidung ist nach § 17 a Abs. 1 Satz 3 GenTG in der hier anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993 (BGBI. l S. 2066), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (2. GenTG-ÄndG) vom 16. August 2002 (BGBI. l S. 3220) vorgesehen, wenn die Behörde die Kennzeichnung von Angaben eines Betreibers - wie der Klägerin (§ 3 Nr. 7 GenTG) - als Betriebs - oder Geschäftsgeheimnis als vertraulich (§ 17 a Abs. 1 Satz 1 GenTG) nach dessen Anhörung für unberechtigt hält. Die Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Die von der Klägerin gem. § 17 a Abs. 1 Satz 1 GenTG vorgenommene Kennzeichnung der Rattenfütterungsstudie MSL 18175 als vertrauliches Betriebs - und Geschäftsgeheimnis war nicht berechtigt, da es sich bei dieser Studie nicht um ein vertrauliches Betriebs- und Geschäftsgeheimnis handelt.

Bei Prüfung dieser Voraussetzungen kann hier unentschieden bleiben, wie der gesetzlich nicht näher bestimmte Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zu definieren ist und ob insoweit an das im Wettbewerbsrecht geläufige Begriffsverständnis angeknüpft werden kann,

vgl. dazu etwa v. Danwitz, Der Schutz von Betriebs – und Geschäftsgeheimnissen im Recht der Regulierungsverwaltung Deutsches Verwaltungsblatt (DVBI.) 2005, S. 597, 600 m.w.Nachw.; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2004 - 13a D 43/04 -.

Ebenso kann offenbleiben, ob es der Klägerin - anders als im vorangegangenen Eilverfahren - gem. § 17 a Abs. 1 Satz 2 GenTG nunmehr gelungen ist, begründet darzulegen, dass eine Verbreitung der von ihr als Betriebs - und Geschäftsgeheimnis angesehenen Studie ihr betrieblich oder geschäftlich schaden könnte. Denn die Studie fällt unabhängig davon jedenfalls deshalb nicht unter das Betriebs - und Geschäftsgeheimnis, weil dieses im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts nicht uneingeschränkt gilt. Nach § 17 a Abs. 2 GenTG sind nämlich bestimmte Angaben von vornherein vom Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ausgenommen; nach § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG fällt u.a. nicht unter das Betriebs - und Geschäftsgeheimnis die „Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen, insbesondere schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt". Darum geht es auch hier.
Die Rattenfütterungsstudie enthält eine solche Beurteilung. Bei dem durchgeführten Tierversuch geht es zunächst ganz vordergründig um die Überprüfung, ob Ratten, die über 90 Tage mit dem von der Klägerin entwickelten Mais MON 863 gefüttert werden, sich anders entwickeln als Ratten, die nur mit herkömmlichem Mais gefüttert werden, ob Unterschiede zwischen den beiden Versuchsgruppen festgestellt werden können, ob diese gegebenenfalls pathogener Natur sind. Es kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass die Bewertung der Ergebnisse des Tierversuchs eine Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen, insbesondere schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, im Sinne von § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG darstellt. Das wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt, wenn sie meint, dass durch die Veröffentlichung der zusammenfassenden „Supplemental Analysis of Selected Findings on the Rat 90-Day Feeding Study with MON 863 Maize Report MSL-18175" und die damit erfolgte „Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen" dem Ausnahmetatbestand des § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG hinreichend Genüge getan sei.

Entgegen der Auffassung der Klägerin erfasst der Begriff der Beurteilung im Sinne von § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG nicht nur eine zusammenfassende Bewertung bestimmter vom Betreiber im Zulassungsverfahren unterbreiteter Angaben, hier der Ergebnisse der Rattenfütterungsstudie, sondern auch das dieser Bewertung zugrundeliegende Tatsachenmaterial. Für diese Auslegung spricht schon die allgemeine Erkenntnis, dass eine Beurteilung - anders als die zugrundeliegenden Tatsachen - nahezu notwendig wertende Elemente und damit zwangsläufig eine subjektive Färbung enthält. Schon vom Wortsinn enthält die Beurteilung ein Urteil über bestimmte Tatsachen, indem aus diesen bestimmte Schlüsse gezogen, die Tatsachen miteinander in Beziehung und gegebenenfalls Prioritäten gesetzt werden. Als Akt wertender Erkenntnis muss die Beurteilung im Zusammenhang mit dem Beurteiler gesehen werden, seinen Fähigkeiten und fachlichen Kenntnissen, seinen Wertungen, seinen Interessen und gegebenenfalls auch Vorurteilen. Die Beurteilung kann unterschiedlich ausfallen, oft genug ist die Beurteilung nur eine unter mehreren verschiedenen, möglicherweise sogar kontroversen. Die „richtige" Beurteilung kann nur durch einen Vergleich der verschiedenen Bewertungen und Schlussfolgerungen herausgefunden werden. Aber auch die „Richtigkeit" nur einer Beurteilung kann ihrerseits nur beurteilt werden, wenn die gezogenen Schlussfolgerungen auf ihre Schlüssigkeit nachvollzogen werden. Das ist wiederum nur möglich, wenn die Grundlagen der Schlussfolgerungen, eben das zugrundeliegende Tatsachenmaterial, in die Betrachtung einbezogen werden. So gesehen setzt schon der Gesetzeswortlaut die Kenntnis der Tatsachen voraus. Das bedeutet zugleich, dass auch diese nicht unter das Betriebs - und Geschäftsgeheimnis fallen.

Nichts anderes ergibt die Auslegung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck von § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG, die erkennbar darin bestehen, die Beurteilung der Risiken für die Umwelt im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen vom Schutz des Betriebs - und Geschäftsgeheimnisses auszunehmen und damit öffentlich zugänglich zu machen. Soll aber „Geheimniskrämerei" verhindert werden, muss eine Diskussion der Beurteilung möglich sein, was wiederum - wie dargelegt - die Kenntnis und damit die Offenlegung des Tatsachenmaterials voraussetzt.

Das OVG NRW hat zudem im einzelnen dargelegt, dass auch das Europarecht zu dieser Auslegung zwingt,

Beschluss vom 20. Juni 2005 - 8 B 940/05-.

Wenn nämlich die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (Abi. L 106, S. 1 ff.) bei der Auslegung des nationalen GenTG'es zu berücksichtigen ist und nach deren Art. 25 Abs. 4, 3. Spiegelstrich zu den Informationen, die auf keinen Fall vertraulich behandelt werden, die Umweltverträglichkeitsprüfung gehört und der Begriff der Umweltverträglichkeitsprüfung in Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie definiert wird als „Bewertung der direkten oder indirekten, sofortigen oder späteren Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die mit der absichtlichen Freisetzung oder dem Inverkehrbringen von GVO verbunden sein können, und die gemäß Anhang II durchgeführt wird," wird zweifelsfrei deutlich, dass die Ausnahme vom Schutz des Betriebs – und Geschäftsgeheimnisses nach § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG sich nicht auf die Mitteilung der bloßen Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen beschränken kann, sondern zugleich das zugrundeliegende Tatsachenmaterial preisgegeben werden muss. Denn zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Freisetzungsrichtlinie gehört in einem ersten Schritt vor der Darstellung von Schlussfolgerungen die Ermittlung der Datenbasis, die damit ein Teil der aus mehreren Teilen bestehenden Umweltverträglichkeitsprüfung und damit vom Schutz des Betriebs - und Geschäftsgeheimnisses ausgenommen und dem Beigeladenen in Erfüllung von dessen Informationsanspruch aus dem Umwelt-
informationsgesetz bekannt zu geben ist.

Zu einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung von § 17 a GenTG besteht entgegen der Auffassung der Klägerin kein Anlass. Auch wenn die Klägerin sich als ausländische juristische Person auf Grundrechtsschutz berufen könnte, wäre sie weder in dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG noch in dem Grundrecht aus Art. 14 GG betroffen. Beide Grundrechte sind nicht vorbehaltlos gewährleistet. Angesichts des hohen Gefahrenpotentials, das mit der Freisetzung und dem Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen verbunden ist, müssten im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Grundrechte der Klägerin zurückstehen. Nichts anderes gilt für die weiter von der Klägerin gerügte Verletzung von Grundfreiheiten nach dem EG-Vertrag.